GS Wehrendorf glänzt bei der Deutschen Meisterschaft 2025 – Auch Hannover wird abgehängt

Willingen/ Wehrendorf. Die Grundschule Wehrendorf hatte etwas Außergewöhnliches geschafft: In mehreren Qualifizierungsrunden zwischen Januar und März 2025 konnte sie sich gegen zahlreiche andere Schulen durchsetzen und schaffte es erstmals, unter die drei besten Grundschulen Niedersachsens zu gelangen. Damit qualifizierte sich das Team für die viertägigen Deutschen Schulschachmeisterschaften vom 08.05.-11.05.2025 in Willingen im Sauerland. Hier sollte die Grundschule Wehrendorf eindrucksvoll zeigen, dass das Lernen an kleinen Schulstandorten mit nur knapp 100 Kindern hervorragend funktionieren kann und selbst die Landeshauptstadt Hannover nicht mithalten konnte. Doch der Reihe nach.

Bei der Deutsche Meisterschaft trafen die jeweils drei besten Schulen jedes Bundeslandes aufeinander, um den künftigen Deutschen Meister im Schach zu ermitteln. Aus Niedersachsen mit dabei waren die seit vielen Jahren besonders erfolgreiche Finkenburgschule Aurich (2024 Vize- Deutscher Meister) sowie die Grundschule Wasserkampstraße Hannover (zuletzt 2018 Deutscher Meister). Angesichts dieser starken Konkurrenz aus den 16 Bundesländern war die Grundschule Wehrendorf vor Turnierbeginn lediglich auf Platz 36 von 48 Teams gesetzt. Die Erwartungen an Damian Ksionsko, Luis Netz, Lias Neudert, Till Tontrup und Gustav Ostmann waren also gering. Das Motto lautete: Dabeisein ist alles!

In Runde 1 war der Gegner der Grundschule Wehrendorf die bilinguale Privatschule „accadis International School Bad Homburg“ aus Hessen. Ein respektabler Gegner, der an Nr. 12 gesetzt war. Den historischen allerersten Punkt bei einer DSM für Wehrendorf holte Till Tontrup gegen die Ukrainerin Nika Kotliarova. Nach einem Sieg durch Lias Neudert fehlte somit nur noch ein halber Punkt zum Mannschaftssieg. Diesen schnappte sich der Zweitklässler Damian Ksionsko an Brett 1, der durch ein geschicktes Dauerschach mit seiner Dame, Nikas Schwester Emily Kotliarova (immerhin Platz 4 der Mädchen in der Deutschen Einzelmeisterschaft U10) ein Remis abtrotzen konnte. Der Endstand lautete somit 2,5:1,5 für die GS Wehrendorf gegen Bad Homburg.

In Runde 2 ging es gegen die an Platz 10 gesetzte Haldenschule Rommelshausen, die gerade ungeschlagen Württembergischer Landesmeister geworden war. Doch erneut zeigten sich die Grundschüler aus Wehrendorf von ihrer besten Seite. So gewann z.B. Damian Ksionsko gegen den unter argem Zeitdruck stehenden Levon Karabetyan (Elo 1513) mit guten Turm-Läufer-Kombinationen im Endspiel und Lias Neudert durch eine feinen Abzug des Springers, der den Damengewinn zur Folge hatte. Wehrendorf gewann letztlich mit 3:1. Es sollte die deutlichste Niederlage für Rommelshausen bei diesem Turnier werden.

Gegner in Runde 3 war der Landesmeister aus Berlin, die Thalia Schule. Vor Turnierbeginn an Platz 6 gesetzt, gingen die Schüler aus der Bundeshauptstadt zunächst mit 2:0 in Führung. Es drohte eine Niederlage. Doch die Wehrendorfer beherrschen nicht nur Eröffnungen, sondern auch Mittelspiel und Endspiel. Lias Neudert an Brett 3 lag zunächst zurück, sorgte aber geschickt dafür, dass ein Freibauer geschaffen wurde, den er anschließend unaufhaltsam zur Dame durchlaufen ließ. So hatte der Berliner gegen den Wehrendorfer keine Chance und gab auf. Den letzten Punkt holte Till Tontrup, der trotz Materialrückstand durch eine sehr kluge Dame-Läufer-Kombination den Gegner Schachmatt setzte. Endstand: Thalia Berlin – Wehrendorf 2:2. Unglaublich! Das an Platz 36 gesetzte Team aus dem Altkreis Wittlage stand nach der dritten von 9 Runden auf Platz 4 von 48 und war an der Tabellenspitze. Damit konnte niemand im Vorfeld rechnen!

Nach furiosem Beginn des Turniers gab es in Runde 4 gegen den Landesmeister aus Schleswig-Holstein, die Stadtschule Bad Oldesloe, mit 0,5:3,5 die erste Niederlage. Schade, doch das gehört zum Sport dazu, denn auch andere Schulen trainieren hart für den Erfolg.

In Runde 5 kam der Gegner erneut aus der Bundeshauptstadt. Diesmal war es die an Platz 14 gesetzte Kreativitätsschule Berlin-Karlshorst. Wie im ersten Zweikampf gegen Thalia glückte den Wehrendorfern auch gegen den Vize-Landesmeister Berlin-Karlshorst ein 2:2.

Die Grundschule Stadtilm, souveräner Thüringer Landesmeister mit 7 Siegen aus 7 Spielen, war Gegner in Runde 6. Doch gegen die GS Wehrendorf waren die Thüringer nahezu chancenlos. Durch drei deutliche Siege von Damian Ksionsko, Lias Neudert und Till Tontrup sowie eine Niederlage nach Zeit von Luis Netz hieß es am Ende 3:1 für die Grundschule Wehrendorf. Unfassbar stark!

In Runde 7 wartete die an Platz 4 gesetzte sogenannte 60. Schule Leipzig. Eigentlich sollte das für Leipzig eine klare Sache sein. Noch vor kurzem hatten sie ungeschlagen mit 6 Siegen und 1 Unentschieden Platz 2 im starken Landesverband Sachsen erreicht. Doch weit gefehlt! Zwei Siege durch Damian Ksionsko gegen Julius Kutschera (DWZ 1305) und Till Tontrup gegen Leonas Hübler (DWZ 1135/Elo 1461) sowie ein Remis von Lias Neudert sorgten für die nächste Sensation: Wehrendorf – Leipzig 2,5:1,5. Damit hatten die starken Sachsen sicherlich nicht gerechnet. Für die Wehrendorfer bedeutete dies in der Gesamttabelle momentan Rang 5 von 48 nach 7 Runden. Grandios! Auch der offizielle Pressebericht der Deutschen Schachjugend lobte später ausdrücklich: „Besonders beeindruckend: Auch vermeintliche Außenseiter wie Wehrendorf oder Riedberg spielten sich zeitweise in die Spitzengruppe vor.“

Bremens souveräner Landesmeister, die Schule am Pulverberg, wurde zum Wehrendorfer Gegner in Runde 8. An Brett 1 trafen sich mit Damian Ksionsko und Tammo Mettenbrink zwei Spieler, die bereits auf diversen Jugendserien-Turnieren gegeneinander gespielt hatten. Wie in der Vergangenheit, spielten die beiden auch auf der Deutschen Meisterschaft remis gegeneinander. In Folge der Niederlage von Luis Netz gegen Mattis Leppin und klarem Start-und-Ziel-Sieg von Till Tontrup gegen Noah Stulgies, war das Match ausgeglichen. Das letzte Remis von Lias Neudert an Brett 3 sorgte dann für die endgültige Entscheidung. Wehrendorf – Bremen 2:2.

Damit war auch der nächste Wettkampftag vorüber. Kurz vor dem Ende des Turniers stand die Grundschule Wehrendorf nach 8 von 9 Runden immer noch auf dem 7. Tabellenplatz. Der absolute Wahnsinn!

Am Sonntag dann folgte die finale 9. Runde. Mit der sogenannten „49. Schule Dresden“ hatten die Kinder aus Wehrendorf einmal mehr Lospech und mussten gegen die an Platz 1 gesetzte Schule aus Sachsen ran. Auf dem Papier war man gemäß DWZ chancenlos, doch im Turnierverlauf hatten die Wehrendorfer mehrfach eindrucksvoll gezeigt, wie gut sie waren. Selbst der nominell schwächste Gegner der Wehrendorfer im gesamten Turnierverlauf landete nämlich auf Platz 23 und damit am Ende in der oberen Tabellenhäfte.

Doch diesmal gab es anders als zuvor leider kein Happy End. Die vier Einzelspiele für sich genommen waren lange Zeit ausgeglichen und forderten den Gegnern alles ab. Auch Ersatzspieler Gustav Ostmann an Brett 4 bot gegen einen Spieler, der im Turnierverlauf alle Partien gewonnen hatte, eine gute Leistung. Erst im Endspiel geriet er durch den Verlust eines Bauerns ins Hintertreffen und musste sich geschlagen geben. Obwohl Damian Ksionskos und Lias Neudert ebenfalls nur denkbar unglücklich verloren und die Niederlage für Wehrendorf somit unabwendbar wurde, spielte Till Tontrup mutig und unbeirrt weiter. Sein sächsischer Gegner an Brett 3 bot ihm mehrfach das Remis an, doch mit kräftiger Stimme und Überzeugungskraft lehnte der Wehrendorfer dies mehrfach unmissverständlich ab, da er eindeutig auf Sieg stand. Leider fand der starke Gegner einen forcierten Spieß im Endspiel, der auch dieses scheinbar klar verlorene Spiel noch in einen Sieg für die Sachsen umwandelte. Auf dem Papier stand eine deutliche 0:4 Niederlage, die sich in Wirklichkeit jedoch völlig anders darstellte und viel unglücklicher und knapper war als dies für Unbegteiligte vielleicht klingen mag.

Mit 4 Siegen, 3 Unentschieden und 2 Niederlagen landet die Grundschule Wehrendorf in der Abschlusstabelle bei ihrer ersten Deutschen Meisterschaft somit auf dem 11. Platz. Zudem erreichen die Schüler diese tolle Platzierung, obwohl sie extremes Pech bei der Auslosung hatten: So mussten sie in 5 von 9 Runden gegen Teams aus der Top 10 der Abschlusstabelle antreten, während vor ihr platzierte Teams wie Bremen (Rang 8) oder Riedberg (Rang 9) lediglich ein einziges Mal gegen Teams der Top 10 antreten mussten! Hätte man zudem beim letzten Spiel erneut gegen einen von der Spielstärke mit Leipzig vergleichbaren Gegner mit 2,5:1,5 gewinnen können, so wäre es sogar Platz 3 in Deutschland, mit einem Unentschieden immerhin Platz 6 für die GSW gewesen. Doch wie sagte einst Lothar Matthäus im Interview: „Wäre, wäre, Fahrradkette … oder wie auch immer!“

Das Fazit lautet daher wie folgt: Vor Beginn des Turniers der 48 besten deutschen Grundschulen war man lediglich an Platz 36 gesetzt und wollte einfach nur Spaß am Schach haben und zeigen, dass man konkurrenzfähig ist. Doch jetzt hat man dieses Ziel mehr als übererfüllt: Die GS Wehrendorf, eine Schule mit nur 92 Kindern aus einem Dorf mit nur 1717 Einwohnern belegt Platz 11 in Deutschland. Sie wird erstmals hinter Aurich die zweitbeste niedersächsische Schule (Hannover landet bei der Deutschen Meisterschaft nämlich 10 Plätze hinter Wehrendorf nur auf Platz 21). Als Höhepunkt des Turniers holt die GSW gegen den neuen Deutschen Meister Thalia Berlin ein verdientes 2:2 Unentschieden.

Die GSW belegt auch beim Turnier der Ersatzspieler mit Platz 21 eine Platzierung in der oberen Tabellenhäfte und zeigte sich mit ausgeglichener Bilanz bei 4 Siegen, 1 Remis und 4 Niederlagen voll konkurrenzfähig. Hier konnte vor allem Gustav Ostmann eifrig Punkte sammeln und z.B. gegen die St. Sebastian-Grundschule Raesfeld aus Nordrhein-Westfalen oder die Albert-Schweitzer-Grundschule Zweibrücken aus Rheinland-Pfalz gewinnen.

Schulleiter Herr Hammerlage zeigte sich begeistert über den großen Erfolg: „Ich bin unglaublich stolz auf unsere fünf Schüler – und danke Norbert Düvel vom Schachverein Bad Essen sowie den engagierten Eltern, die diese Reise tatkräftig unterstützt haben. Mein ganz besonderer Dank gilt Daniel Adler, der als Wegbegleiter diesen Erfolg mit seinem großen Einsatz weit über das Schulische hinaus überhaupt erst möglich gemacht hat.“

Ganz herzlich bedanken möchten wir uns bei Timo Natemeyer und der Gemeinde Bad Essen, der Familie Bitter und der Firma Argelith Bodenkeramik sowie Torsten Bühning und dem Verein „Wehrendorf hilft e.V.“ als Sponsoren, die unser Team bei den Reisekosten unterstützt haben und dadurch erst unsere Teilnahme an der Deutschen Meisterschaft finanziell ernmöglicht haben! Wir wissen Ihr Engagement für unsere Schule sehr zu schätzen! Vielen herzlichen Dank!

Alle Informationen zur Deutschen Meisterschaft sowie alle Gegner, Ergebnisse und Tabellen findet man unter diesen Links:

https://www.deutsche-schachjugend.de/2025/dsm-wk-g/ und

https://www.deutsche-schachjugend.de/news/2025/deutsche-schulschachmeisterschaft-der-grundschulen-2025-in-willingen/

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